Die Preise für CO2-Zertifikate brechen ein
2024-10-03 10:11 PM
Nach goldenen Jahren im Markt für Zertifikate zur Treibhausgas-Kompensation steht die Branche vor Herausforderungen. Die Preise notieren deutlich unter dem Vorjahresniveau, Ursachen dafür liegen auch in der Reputationskrise der Kompensationsunternehmen.
Volkswagen, Shell, SAP. Gerade große Konzerne setzen seit einigen Jahren immer stärker auf ein Instrument, um ihre Treibhausgasemissionen auszugleichen und ihre Klimaziele zu erreichen: CO2-Zertifikate, auch genannt Carbon Credits. Mit diesen Gutschriften können Unternehmen ihre Emissionen freiwillig kompensieren.
Um zu kompensieren, kaufen die Konzerne in der Regel über Zwischenhändler Zertifikate von Klimaschutzprojekten. Die Projekte zielen darauf ab, CO2-Emissionen zu verhindern oder alternativ CO2 aus der Atmosphäre zu entziehen. Konkret fließt das Geld für die Zertifikate dann an lokale Projektträger – meist im globalen Süden –, die mit den Investitionen beispielsweise Wälder schützen, Solar- und Windparks ausbauen oder effizientere Koch-Öfen an die Bevölkerung vertreiben.
"Verra steht unter großem Druck, die Methodik zu ändern, die ihren Waldschutzprojekten zugrunde liegt", sagt eine Branchenkennerin Anfang November. Tatsächlich hat Verra vor wenigen Tagen, Ende November, eine neue Methodik für die Waldschutzprojekte veröffentlicht. Im Fachjargon besitzen diese Projekte das Label REDD+, was für Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation steht, also die Reduzierung von Emissionen aus Entwaldung und der Schädigung von Wäldern.
Interessant ist: Trotz des Verra-Skandals ist der globale Marktanteil von REDD+-zertifizierten Projekten laut Daten von Allied Offsets im Jahresvergleich sogar etwas gestiegen. Zugleich sind die Preise für Forstschutz- und Aufforstungszertifikate aber deutlich gefallen.Davon, dass die Preise für die REDD+-Emissionsgutschriften gesunken sind, spricht auch der im DACH-Raum aktive Kompensationsanbieter Myclimate. "Das hängt unmittelbar mit den von Verra-zertifizierten REDD+-Projekten zusammen", so Myclimate Deutschland in einem Statement. Das eigene Geschäft sei aber von der Verra-Reputationskrise nicht betroffen, Myclimate habe keines der kritisierten Projekte im Angebot.
Der Verra-Skandal hat Myclimate nach eigener Aussage sogar mehr genutzt als geschadet: Die Nachfrage nach Zertifikaten des deutschen Anbieters sei dadurch noch gestiegen. Im Austausch mit Kunden spüre man zwar "Unsicherheiten", diese scheinen aber keinen Einfluss auf die Geschäftsentwicklung des Unternehmens zu haben.
Auch der Münchener Klimadienstleister Climate Partner sieht nach eigener Aussage keinen Rückgang an Kunden – dennoch habe die Berichterstattung der "Zeit" und des "Guardians" einen Einfluss auf die Branche gehabt. Climate Partner habe auf die Recherchen reagiert und Klimaschutzprojekte nochmals geprüft.Grundsätzlich steht die gesamte Branche – sowohl die Zertifizierer als auch die Projektentwickler – vor der Herausforderung, die Verlässlichkeit und Transparenz im Zertifikatmarkt zu erhöhen.
Besserung sollen die Bemühungen des The Integrity Council for the Voluntary Carbon Market (ICVCM) bringen. Die Organisation hat mit den "Core Carbon Principles" erst in diesem Jahr einen Standard geschaffen, der definieren soll, was CO2-Zertifikate von hoher Qualität sind. Damit ändert sich der Status Quo: Nicht mehr die Zertifizierer wie Verra oder Gold Standard setzen ihre Standards selbst, sondern eine unabhängige Organisation.
Zum heutigen Stand haben sowohl Verra als auch Gold Standard beantragt, ihre eigenen Standards durch die Standards des ICVCM prüfen zu lassen. Gold Standard-Managerin Sarah Leugers sieht darin einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung: "Die Standards des ICVCM werden sowohl den Käufern als auch den Projektentwicklern Klarheit und Sicherheit geben", sagt sie.
Interessant ist: Trotz des Verra-Skandals ist der globale Marktanteil von REDD+-zertifizierten Projekten laut Daten von Allied Offsets im Jahresvergleich sogar etwas gestiegen. Zugleich sind die Preise für Forstschutz- und Aufforstungszertifikate aber deutlich gefallen.Davon, dass die Preise für die REDD+-Emissionsgutschriften gesunken sind, spricht auch der im DACH-Raum aktive Kompensationsanbieter Myclimate. "Das hängt unmittelbar mit den von Verra-zertifizierten REDD+-Projekten zusammen", so Myclimate Deutschland in einem Statement. Das eigene Geschäft sei aber von der Verra-Reputationskrise nicht betroffen, Myclimate habe keines der kritisierten Projekte im Angebot.
Der Verra-Skandal hat Myclimate nach eigener Aussage sogar mehr genutzt als geschadet: Die Nachfrage nach Zertifikaten des deutschen Anbieters sei dadurch noch gestiegen. Im Austausch mit Kunden spüre man zwar "Unsicherheiten", diese scheinen aber keinen Einfluss auf die Geschäftsentwicklung des Unternehmens zu haben.
Auch der Münchener Klimadienstleister Climate Partner sieht nach eigener Aussage keinen Rückgang an Kunden – dennoch habe die Berichterstattung der "Zeit" und des "Guardians" einen Einfluss auf die Branche gehabt. Climate Partner habe auf die Recherchen reagiert und Klimaschutzprojekte nochmals geprüft.Grundsätzlich steht die gesamte Branche – sowohl die Zertifizierer als auch die Projektentwickler – vor der Herausforderung, die Verlässlichkeit und Transparenz im Zertifikatmarkt zu erhöhen.
Besserung sollen die Bemühungen des The Integrity Council for the Voluntary Carbon Market (ICVCM) bringen. Die Organisation hat mit den "Core Carbon Principles" erst in diesem Jahr einen Standard geschaffen, der definieren soll, was CO2-Zertifikate von hoher Qualität sind. Damit ändert sich der Status Quo: Nicht mehr die Zertifizierer wie Verra oder Gold Standard setzen ihre Standards selbst, sondern eine unabhängige Organisation.
Zum heutigen Stand haben sowohl Verra als auch Gold Standard beantragt, ihre eigenen Standards durch die Standards des ICVCM prüfen zu lassen. Gold Standard-Managerin Sarah Leugers sieht darin einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung: "Die Standards des ICVCM werden sowohl den Käufern als auch den Projektentwicklern Klarheit und Sicherheit geben", sagt sie.
Bisher hatte der Trend im Markt für CO2-Kompensationen stets nach oben gezeigt, besonders 2021 und 2022 waren Boom-Jahre in dem Geschäft gewesen. Anders sieht es dieses Jahr aus, wie Recherchen von GREEN.WORKS zeigen. Unternehmen wirken zögerlicher, auf Kompensationsprojekte zu setzen.
Gut ablesen lässt sich das an einem Durchschnittspreis für CO2-Zertifikate, den die Organisation Allied Offsets berechnet: Das Londoner Unternehmen hat mit dem AO500 einen Index geschaffen, der einen gewichteten Durchschnittspreis der Zertifikate für die 500 wichtigsten CO2-Kompensationsprojekte wiedergibt.Und der Verlauf dieser Preiskurve zeigt nach unten: Bei aktuell 3,60 US-Dollar pro kompensierte Tonne CO2 steht der Index – ein starker Einbruch im Vergleich zu vor gut einem Jahr: Im Oktober hatte der erst 2022 geschaffene Index seinen Höchststand mit 6,32 Dollar erreicht. Der Preis für die Zertifikate ist also um mehr als 40 Prozent eingebrochen.
Auch die Organisation selbst schreibt: "Es entsteht der Eindruck, dass die Branche in diesem Jahr einen Schritt zurück gemacht hat." Denn nicht nur die Preise für die Kompensationszertifikate sind gefallen, auch die Zahl der "retirements", also der von Unternehmen genutzten beziehungsweise verbrauchten Credits, lag im Oktober um 20 Prozent unter dem Vorjahresniveau.
"Der Markt hat sich etwas verlangsamt", bestätigt Sarah Leugers, Chief Growth Officer (CGO) bei Gold Standard. Die Schweizer Non-Profit-Organisation ist der weltweit zweitgrößte Zertifizierer von Klimaschutzprojekten. Leugers sagt: Auf Seite der Käufer von Carbon Credits sei eine zögerliche Haltung zu spüren. Eine grundsätzliche Marktveränderung sieht sie aber nicht.Einer der Gründe, warum die Preise bei den CO2-Zertifikaten eingebrochen sind, könnten die Turbulenzen rund um den Marktführer Verra sein. Anfang des Jahres hatte die "Zeit" gemeinsam mit dem "Guardian" eine Recherche veröffentlicht, der zufolge über 90 Prozent der Waldschutzprojekte von Verra wirkungslos sein könnten.
Zwar hat die Organisation den Ergebnissen der Recherche widersprochen – zwei der Studien, auf die sich die Artikel beziehen, seien methodisch unsauber –, der Reputationsschaden für Verra ist dennoch immens. In Deutschland hatten große Konzerne wie Volkswagen und SAP noch im Januar auf die "Zeit"-Recherchen reagiert und angekündigt, ihr Portfolio an Kompensationsprojekten zu überprüfen.